In Anbetracht meiner aktuellen Situation als Tutor für Informatik I und meiner akuten Unzufriedenheit mit einer ganzen Reihe von Dingen an der Universität hier in Tübingen denke ich in den letzten Wochen immer häufiger über eine ganz klare Unstimmigkeit im Deutschen Hochschulsystem nach:

Über die wenigsten Dozenten, bei denen ich in den vergangenen 5 Semestern (und auch in den 2 Semestern vorher in Dresden) eine Vorlesung gehört habe, würde ich mit voller Überzeugung sagen, dass sie Spaß daran haben, Studenten etwas beizubringen. Es gibt da herausragende Ausnahmen, die mit tollen neuen Ideen und viel Energie für die Lehre herausstechen, aber beim Großteil sieht es doch eher sehr traurig aus. Woran liegt das?

Die Lehre ist an Deutschen Universitäten nur ein Nebenprodukt. Jeder Hochschulprofessor muss zu bestimmten Zeiten Vorlesungen anbieten. Das ist eine seiner Verpflichtungen. Und genau da liegt meiner Meinung nach der Hase im Pfeffer. Er muss, auch wenn er keine Lust hat. Und das merkt man leider vielen an.

Ich kann das durchaus verstehen. Man arbeitet an spannenden Projekten, erzielt Erfolge in der Forschung und möchte am liebsten nichts anderes machen. Da kommen dann im schlimmsten Fall noch irgendwelche Erstsemestler daher und wollen eine Grundlagenvorlesung haben. Und dann wird man von der Fakultät dazu auserkohren die lesen zu müssen. Kann ich nachvollziehen, dass die Lust da ganz schnell im Keller ist.

Nun ist aber die Frage: Gibt es wirklich so wenig Leute, die Lust am Lehren haben? Das glaube ich nicht. Viel mehr glaube ich, dass niemand Interesse daran hat, jemanden mit solchen Interessen einzustellen. Forschungsergebnisse und Arbeitsgebiet sind das Einzige, nach dem solche Entscheidungen getroffen werden. Das ist eine total falsche Personalpolitik. Nach meinem Kenntnisstand machen das die meisten Universitäten in anderen Ländern anders. Dort gibt es Lehrprofessuren, die keine Forschungsverpflichtungen mitbringen, und Forschungsprofessuren, die von der Lehre weitestgehend befreit sind. Das macht doch eigentlich auch Sinn. Denn das sind einfach grundverschiedene Dinge.

Wie komme ich nun auf diese Überlegungen? Ich habe die letzten 3 Semester als Tutor festgestellt, dass es mir sehr viel Spaß macht, Menschen etwas beizubringen und ihnen dann beim „Aha!“ und anschließend erfolgreichen Bestehen von Prüfungen zuzuschauen. Aber was fange ich mit dieser Erkenntnis an? Genau…garnichts irgendwie. Ich kann das irgendwo ins stille Kämmerchen stellen und vielleicht irgendwann mal wieder rausholen, wenn ich irgendwo anders tolle Fortschritte gemacht habe. Und das ärgert mich irgendwie. Interesse am Lehren ist für niemanden ein Einstellungskriterium. Und ob man entsprechende Fähigkeiten hat, kriegt man auch nirgends schriftlich.

Das ist gleich das nächste Problem. Wie sollte die Universität überhaupt Leute für die Lehre einstellen? Man kann ja garnicht richtig ermitteln, ob jemand ein guter Lehrer ist, da es dafür überhaupt keine Beurteilungsmöglichkeiten gibt. Ich sage nicht, dass diese unbedingt notwendig wären, denn alleine Interesse führt zu vermehrtem Engagement und das meist auch zu einer Verbesserung der Lehrsituation. Nur leider scheint das alleine ja keinem genug zu sein.

Was bleibt mir nun noch? Auswandern?