Seit ich im Internet unterwegs bin, habe ich auch fast immer einen IRC-Client offen und idle in mindestens 10 Channels. In dieser ganzen Zeit habe ich eine Menge gesehen, sowohl aus Sicht eines Users, als auch aus Sicht eines Channel-Operators. Erst heute ist mir wieder eine typische IRC-Konfrontation untergekommen, die in einem absolut nervigen und gleichzeitig lächerlichen Schlagabtausch endete. Aus diesem Grund möchte ich mal ein paar Gedanken und Empfehlungen aufschreiben, über die man vielleicht mal nachdenken sollte, wenn man den Operator-Status in einem Channel hat. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das meine Sicht der Dinge ist und ich mir meiner etwas eigensinnigen Sicht auf die Welt des IRC bewusst bin.

Was ist die Aufgabe eines Operators?

Dazu möchte ich mal eben einen Blick auf die Übersetzung des Wortes riskieren: LEO liefert als mögliche Übersetzungen bspw. Betreiber, „Bedienungsmann“, Maschinist, Bediener, Telefonist, … Eine Übersetzung finde ich dort jedoch nicht: Vormund. Als ein solcher sehen sich Channel-Operatoren aber sehr häufig oder zumindest wirkt es so. Das sind sie aber definitiv nicht, da in Deutschland bspw. nur Kinder und aufgrund einer Erkrankung nicht mehr geschäftsfähige Menschen einen solchen bekommen.

In meinen Augen hat ein Operator die Aufgabe, allen Usern im Channel eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich nicht mit technischen Details befassen müssen, damit sie sich in Ruhe unterhalten können. Außerhalb des Internets gibt es eine solche Person in den meisten Unterhaltungen nicht, da sie nur zwischen wenigen Menschen stattfinden. Ausnahmen: In der Schule sorgt der Lehrer für eine brauchbare Arbeitsatmosphäre, indem er unnötige Unterhaltungen unterbindet. Auf Konferenzen gibt es einen Moderator, der während der Diskussion das Wort erteilt und damit Chaos verhindert. Nun kommt sicher schnell der Gedanke, dass das doch sowieso mit dem IRC vergleichbar ist. Aber warum ist das so?

Unterschiede zwischen echten Diskussionen und IRC

Ein großer Vorteil des IRC ist, dass man parallel an vielen Unterhaltungen teilnehmen kann und auch private Unterhaltungen mit einzelnen Leuten beginnen kann. Und das ganz ohne andere zu stören. Wenn man sich auf einer Konferenz mit seinem Nachbarn unterhält, stört das alle anderen. Im IRC ist das nicht der Fall.

Der große Nachteil des IRC ist das Fehlen von Mimik und Gestik. Man sieht seinen Gesprächspartner nicht und hat somit die ganzen Informationen, die einem diese wichtigen Elemente der Kommunikation normalerweise geben, nicht zur Verfügung. Das resultiert in einer nüchtereren Herangehensweise an Unterhaltungen, führt aber auch gleichzeitig dazu, dass man sich dem Gesprächspartner nicht so verbunden fühlt und daher die Hemmschwelle für unangemessene Reaktionen etc. wesentlich niedriger liegt. Ich finde es aber verabscheuungswürdig, wenn man sich hinter seiner vermeindlichen Annonymität versteckt und nehme daher auch von jedem an, dass er sich so verhält, wie im wahren Leben auch. Damit hat sich bei ner ganzen Menge Leuten ziemlich schnell das Interesse auf weiteren Kontakt erledigt. Und nein, an der Stelle bin ich absolut nicht kompromissbereit.

Aber zurück zum Thema. Solche Unterschiede gibt es noch in wesentlich größerer Anzahl, aber dem müsste ich wohl einen eigenen Artikel widmen. Deswegen sei hier nur noch einmal zusammengefasst, dass es aufgrund der Art der Kommunikation große Differenzen gibt, die oft aber als Ausrede genommen werden, um sich daneben zu benehmen. Man hat es auch im IRC immernoch mit Menschen zu tun und sollte das nie aus den Augen verlieren.

Was bedeutet das nun für den Operator?

Ein Moderator wird im IRC noch seltener benötigt als in der Welt jenseits des Internet. Da man die Nachrichten alle noch einmal nachlesen kann, ist es selten ein Problem, wenn viele Leute gleichzeitig „reden“. Diesen Job können wir also schon einmal von der Liste streichen.

Der IRC birgt die Möglichkeit durch technische Mittel unerwünschte Werbung zu verbreiten, indem man entsprechende Bots startet etc. Gegen solches Ungeziefer können sich die User im Channel meist nur schwer wehren, insbesondere wenn sie sich mit der Technik nicht weiter auskennen. Hier muss also ein Operator die Funktion eines Kammerjägers übernehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Aber nicht vergessen: Man ist „Bedienungspersonal“ des IRC. Das „@“ vor dem eigenen Nick verpasst einem nicht das Format einer moralischen Instanz oder gar die Amtsinsignien eines Diktators. Man ist lediglich der Fahrgast, der am nächsten an der Notbremse sitzt. Und bekanntermaßen sieht es der Zugführer garnicht gerne, wenn man diese ohne triftigen Grund aktiviert. Zugegebermaßen gibt es im IRC nicht direkt einen Zugführer, der dann aufspringt, wenn man ohne triftigen Grund den Hebel bedient, aber das heißt ja nicht, dass man diese Situation ausnutzen muss. Das Problem ist also:

Wo ist jetzt die Grenze?

Ich schrieb weiter oben den Begriff „Ungeziefer“. Hier muss noch eine vernünftige Definition her. Spambots und User, die einfach nur hereinkommen, um ihre Internetadresse in die Runde zu werfen, sind definitiv keinen weiteren Gedanken wert und sollten ruhig des Channels verwiesen werden. Definitiv nicht als „Ungeziefer“ darf man Benutzer ansehen, die sich ein wenig daneben benehmen. Die meisten Channels haben Regeln, an die man sich halten soll. Meist würde man erwarten, dass diese eine Selbstverständlichkeit sind, ist aber immer wieder überrascht, wie selten das wirklich der Fall ist. Darauf jetzt aber mit einem Rauswurf zu reagieren, halte ich für absolut unangemessen. Man sollte sich da wirklich selber als Kammerjäger sehen, der auch nicht einem Menschen, der ihm etwas sagt, das ihm nicht gefällt, die Giftkartusche ins Gesicht hält.

Ganz essentiell ist also ein gesundes Urteilsvermögen. Dies ist der Punkt, in dem man sich vom „Yeah-ich-habe-Macht“-Operator unterscheiden kann. Ich kann nur empfehlen, dass man öfter mal versucht, die Situation im IRC, die man gerade zu beurteilen versucht, in das wahre Leben zu übertragen. Wie oft wurde man dort schon aus einem Raum geworfen? Genau…äußerst selten. Man wird meist in ruhigem, aber bestimmtem Ton von irgendwem auf seinen Fehltritt aufmerksam gemacht. Oft ist das im IRC auch eine absolut ausreichende Maßnahme. Und wenn man damit keinen Erfolg hat, kann man immernoch zu drastischeren Mitteln greifen, sollte sich den Einsatz aber wirklich gut überlegen.

Ein Operator ist kein Lehrmeister

In der letzten Zeit sehe ich sehr oft, dass Operatoren versuchen die Channel-Besucher zu belehren. Meistens in Form der allseits beliebten Links zum Thema Fragenstellung und dergleichen. Oft werden diese auch einfach als Nachricht im Kick verwendet. Und da muss ich jetzt doch wirklich mal die Sinnfrage stellen. Ich wage zu behaupten, dass jeder aus seiner eigenen Erfahrung weiß, dass man Menschen nicht wirklich verändern kann. Welchen Zweck verfolgt dann diese ganze Sache? Soll das das eigene Gewissen beruhigen, weil man einen kleinen Beitrag zum aussichtslosen Kampf gegen die Windmühlen der unangemessenen Verhaltensweisen geleistet hat? Das ist doch eher lächerlich. Solche Links sind höchstens dann von Nutzen, wenn ein User nachfragt, wieso er keine Antwort bekommt. Einfach nur mit Links werfen ist nämlich eine ganz schlimme Angewohnheit. Unkommentierte Links sind für mich ein Zeichen von Desinteresse und Unfreundlichkeit. Damit ist man wirklich kein Vorbild im Bezug auf die Verhaltensweisen, die man sich selber wünscht.

Zusammenfassung

So. Viel Prosa zu einem Thema, das ich eigentlich für selbstverständlich halte, aber immer wieder Beispiele dafür kriege, dass es das nicht ist. Was sind nun also die Dinge, die man für sich aus diesem Text mitnehmen sollte?

  • Ein Operator hat ganz andere Aufgaben, als die meisten glauben. Ein „@“ vorm Nick ist nicht der Freibrief zum Rüpel-Verhalten.
  • Man sollte den IRC nicht zu sehr von Unterhaltungen im wahren Leben abgetrennt sehen. Sie haben Unterschiede, aber viele von diesen sind eigentlich nicht wirklich da, sondern existieren nur in den Köpfen und verkomplizieren damit alles. „Normale“ Kommunikation funktioniert doch im wahren Leben auch ziemlich gut.
  • Mit Links werfen, um Leute zu belehren, gehört weder zum guten Ton, noch hat es den erwünschten Effekt.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich auch ab und an dazu neige in diese „typischen Operator-Verhaltensweisen“ zu rutschen. Manchmal ist man einfach in so einer Laune, in der man gerne IRC-Anfänger veralbert oder das beliebe „DAU-Bashing“ betreibt. Ich muss aber auch sagen, dass es mir deutlich mehr Genugtuung verschafft, wenn ich sehe, dass sich jemand einen Ratschlag zu Herzen nimmt oder ein Konflikt mit Worten statt mit dem Griff zum Kick-Knopf beigelegt wird.