Gedanken: „Deutsche Hochschulsituation“
Alltäglicher Wahnsinn, Studium 12. Februar 2008, 21:00In Anbetracht meiner aktuellen Situation als Tutor für Informatik I und meiner akuten Unzufriedenheit mit einer ganzen Reihe von Dingen an der Universität hier in Tübingen denke ich in den letzten Wochen immer häufiger über eine ganz klare Unstimmigkeit im Deutschen Hochschulsystem nach:
Über die wenigsten Dozenten, bei denen ich in den vergangenen 5 Semestern (und auch in den 2 Semestern vorher in Dresden) eine Vorlesung gehört habe, würde ich mit voller Überzeugung sagen, dass sie Spaß daran haben, Studenten etwas beizubringen. Es gibt da herausragende Ausnahmen, die mit tollen neuen Ideen und viel Energie für die Lehre herausstechen, aber beim Großteil sieht es doch eher sehr traurig aus. Woran liegt das?
Die Lehre ist an Deutschen Universitäten nur ein Nebenprodukt. Jeder Hochschulprofessor muss zu bestimmten Zeiten Vorlesungen anbieten. Das ist eine seiner Verpflichtungen. Und genau da liegt meiner Meinung nach der Hase im Pfeffer. Er muss, auch wenn er keine Lust hat. Und das merkt man leider vielen an.
Ich kann das durchaus verstehen. Man arbeitet an spannenden Projekten, erzielt Erfolge in der Forschung und möchte am liebsten nichts anderes machen. Da kommen dann im schlimmsten Fall noch irgendwelche Erstsemestler daher und wollen eine Grundlagenvorlesung haben. Und dann wird man von der Fakultät dazu auserkohren die lesen zu müssen. Kann ich nachvollziehen, dass die Lust da ganz schnell im Keller ist.
Nun ist aber die Frage: Gibt es wirklich so wenig Leute, die Lust am Lehren haben? Das glaube ich nicht. Viel mehr glaube ich, dass niemand Interesse daran hat, jemanden mit solchen Interessen einzustellen. Forschungsergebnisse und Arbeitsgebiet sind das Einzige, nach dem solche Entscheidungen getroffen werden. Das ist eine total falsche Personalpolitik. Nach meinem Kenntnisstand machen das die meisten Universitäten in anderen Ländern anders. Dort gibt es Lehrprofessuren, die keine Forschungsverpflichtungen mitbringen, und Forschungsprofessuren, die von der Lehre weitestgehend befreit sind. Das macht doch eigentlich auch Sinn. Denn das sind einfach grundverschiedene Dinge.
Wie komme ich nun auf diese Überlegungen? Ich habe die letzten 3 Semester als Tutor festgestellt, dass es mir sehr viel Spaß macht, Menschen etwas beizubringen und ihnen dann beim „Aha!“ und anschließend erfolgreichen Bestehen von Prüfungen zuzuschauen. Aber was fange ich mit dieser Erkenntnis an? Genau…garnichts irgendwie. Ich kann das irgendwo ins stille Kämmerchen stellen und vielleicht irgendwann mal wieder rausholen, wenn ich irgendwo anders tolle Fortschritte gemacht habe. Und das ärgert mich irgendwie. Interesse am Lehren ist für niemanden ein Einstellungskriterium. Und ob man entsprechende Fähigkeiten hat, kriegt man auch nirgends schriftlich.
Das ist gleich das nächste Problem. Wie sollte die Universität überhaupt Leute für die Lehre einstellen? Man kann ja garnicht richtig ermitteln, ob jemand ein guter Lehrer ist, da es dafür überhaupt keine Beurteilungsmöglichkeiten gibt. Ich sage nicht, dass diese unbedingt notwendig wären, denn alleine Interesse führt zu vermehrtem Engagement und das meist auch zu einer Verbesserung der Lehrsituation. Nur leider scheint das alleine ja keinem genug zu sein.
Was bleibt mir nun noch? Auswandern?
12. Februar 2008 um 23:06
[…] http://blog.tshw.de/2008/02/12/gedanken-deutsche-hochschulsituation/ […]
12. Februar 2008 um 23:17
Ich befürchte einfach, wenn ich ehrlich bin, dass es dir im Ausland auch nicht besser ergehen würde. Da hättest du andere Probleme. Aber das Studium/die Schule hinschmeissen, und ständig wechseln ist auch keine Lösung.
Wie wäre es mit, auch wenns doof klingt, zusammen reißen und durchhalten? Oder aber, man setzt sich mit 200 Studenten zusammen, bespricht die Lage, sammelt Vorschläge und Unterschriften und wendet sich an den Staat mit dem Betreff „Hilfe“. Aber da wird man wahrscheinlich einfach nur die Augen zuhalten, wie immer. 😉
12. Februar 2008 um 23:42
Naja. Mit den meisten Dingen habe ich mich inzwischen eigentlich abgefunden. In erster Linie geht es mir momentan im Prinzip wirklich darum, dass ich Spaß dran hätte für eine Weile einfach nur Leuten was beizubringen. Nur würde mir niemals jemand eine solche Stelle anbieten, weil auf sowas einfach nirgendwo in Deutschland wirklich wert gelegt wird. Und das finde ich irgendwie traurig und falsch.
12. Februar 2008 um 23:50
Es gäbe noch die Möglichkeit, Dozent an einer Volkshochschule zu machen. Das entspricht bzw. die dortigen Kurse, entsprechen wahrscheinlich nur nahezu ueberhaupt nicht dem, was du gerne lehren wuerdest.
12. Februar 2008 um 23:55
Äh ja. Richtig. Das wäre nicht so ganz das, was ich mir vorstelle. Eigentlich denke ich schon an Hochschule, weil die Leute für gewöhnlich freiwillig herkommen und dann auch mehr Spaß an der Sache haben. Lehrer wäre für mich garnichts…da muss man Leuten, die keine Lust haben, Sachen beibringen, auf die man selber garkeine Lust hat. 😉 Und Volkshochschule ist mir irgendwie nicht so ganz das Wahre.
So an der Uni einfach als Assistent von einem Prof. die Vorlesung halten, auf die der selber keine Lust hat. Das wäre für ne Weile irgendwie echt ok für mich. Gefällt zwar keinem Personalchef, wenns nachher im Lebenslauf steht, aber mir persönlich würde es Spaß machen und mich daher sicher auch weiterbringen. Aber wie gesagt…dafür will dich ja keiner, wenn du nicht parallel noch lauter tolle Forschungsergebnisse erzielst…